Interview mit Winnie Forster
Veröffentlicht am 25.06.2005

Kultpower:
Hallo Winnie!
Die Neuauflage Deines Buchs der "Spielkonsolen und Heimcomputer 1972 - 2005" ist wesentlich fetter als das Original von Ende 2002. Wie lange hast Du an den Erweiterungen gearbeitet?
Winnie:
Für neue Kapitel und die Erweiterung fast aller bisherigen Kapitel waren sechs Vollzeit-Monate Redaktion und eine dreimonatige Layout-Phase geplant. Nicht zuletzt wegen der Übersetzung ins Englische & Co. wurden es acht Monate - bis ca. Februar 2005. 
Vor der redaktionellen Phase verbrachte ich sechs Wochen mit der Akquisition der noch fehlenden Hardware (fand in Tokio z.B. noch ein SG-1000 und ein Epoch Cassettevision) sowie mehreren Foto-Shootings mit Christian Boehm, dessen Studio über Wochen wie ein Computer- und Spiele-Museum aussah. Bei zwei der Shooting war oldbits's Frank Salomon dabei, um seine exotischsten Stücke selbst ins Studio zu schleppen und "anzurichten".
Kultpower:
Wie viele Hinweise hattest Du von Lesern der ersten Auflage bekommen?
Winnie:
Viele, was eine Triebfeder hinter dem neuen Buch war. Nach Veröffentlichung des ersten Buchs erreichten mich mehrere konstruktive Mails pro Tag, so dass Leute wie die auf Seite 5 genannten (mir größtenteils persönlich gar nicht bekannten) Kritiker und Helfer, nicht nur daran schuld sind, dass GP1.5 gut wurde, sondern auch daran, dass es so lange dauerte.
Nach zwei Jahren der fröhlichen Kommunikation mit Sammlern, Software-Gourmets und Hardware-Historikern schätze ich, dass 5 bis 10% meiner Leser Spiele-mäßig noch härter drauf sind als ich. Als Errata zu "Spielkonsolen & Heimcomputer" erhielt ganze Diplom-- und Magisterarbeiten ... 
Den Input nachzurecherchieren und in Detailverbesserungen umzusetzen braucht Zeit. Hat Spaß gemacht, ich habe viel gelernt und viele schlaue Leute getroffen. Mit meinem Leserstamm bin ich zufrieden :-)
Kultpower:
Wie war generell das Feedback zu der ersten Auflage?
Winnie:
Wie skizziert. Ohne das "etwas stärker als erwartet"-Feedback gäbe es GP1.5 nicht. Auch die Presse fand das Buch gut.
Kultpower:
Auf welche Art und Weise entstehen die ganzen Screenshots in Deinen Büchern?
Winnie:
Das ist je nach System verschieden. Für Geräte die nicht ordentlich oder stabil emuliert sind, sowie für alle DVD-Konsolen verwenden wir einen PC-basierten RGB-Grabber, deshalb sehen die Bilder besser aus als in den meisten Fachzeitschriften. Andere Fotos entstanden mit einer Spiegelreflexkamera direkt auf den Bildschirm. Bei einigen Systemen haben wir auch das Video-RAM ausgelesen, siehe z.B. die PSOne-Bilder auf der Doppelseite 158/159.
Alle Bilder...ächz...wurden exklusiv für das Buch angefertigt; oder zumindest fast (siehe "weitere Bilder"-Nachweis auf S. 224).
Kultpower:
Kannst du dir vorstellen oder hast du vielleicht sogar geplant, irgendwann weitere erweiterte Auflagen herauszubringen?
Winnie:
Moment mal, langsam - die erweiterte Auflage ist gerade erst erschienen und druckfrisch. Bis auf aktuelle PSP- und DS-Verkaufszahlen gäbe es zu GP1.5 nicht viel nachzutragen. Was willst Du mit "weiteren" Auflagen? ;-)
Spaß beiseite: Wie beim ersten Buch kommt die nächste Auflage dann, wenn die vorhergehende weg ist (& keine Reste mehr im Handel liegen) und genügend Material neues Material recherchiert ist. Bevor das nächste Update erscheint, gibt es mindestens noch zwei andere Gameplan-Bücher, nämlich "GP3: Software" sowie ein Buch das ebenso weit fortgeschritten, aber noch nicht angekündigt ist, nennen wir es mal GPX. Vor 2008 ist mit keinem GP1.5-Update zu rechnen.
Kultpower:
Was ist deine Meinung zu Lesern, die den Preis von 24,80 EUR für eine erweiterte Auflage als zu hoch empfinden?
Winnie:
Diese Leser sollten's nicht kaufen imo, wenn sie das Gefühl haben, zu wenig Mehrwert zu erhalten.
Auf der einen Seite ist der Preis der beliebteste Diskussionspunkt (zumindest jener die das Buch noch nicht besitzen), auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass er eine Rolle spielt: Ich habe das Gefühl, dass die meisten Spieler merken und wissen, dass in jedes Gameplan-Buch maximaler Aufwand gesteckt wird, und zwar in jedem Bereich - Text, Bilder, Layout, Druck - und das honorieren (zumindest nachdem sie das Buch geblättert haben ;-) 
Unbescheiden ausgedrückt: Ich kenne kein fundiertes Fachbuch dass für 24.80 eine ähnliche Ausstattung besitzt. Paradoxerweise läuft das meist so: Je größer ein Verlag, desto billiger, trashiger und oberflächlicher sind seine Sachbücher. Die teuren & riskanten Sachen machen dann meistens die "Kleinen". Sieh Dir die Ausstattung der dt. C.- & V.-Spielbücher mal an, Heise, Eichborn, Schwarzkopf & Schwarzkopf sind alles recht dicke Verlage, ihre Werke sind aber kaum besser ausgestattet als eine Schülerzeitung. Data Becker und Taschen tragen wiederum allerhand Bildmaterial zusammen, aber ohne davon ein Bild selbst zu knippsen oder eine eigene Grafik anzufertigen. Ich habe nicht das Gefühl, dass für diese Bücher ein alter Computer gewuchtet, geöffnet oder gar angeschaltet worden ist. 
Beide Modelle - viel Text, aber keine harten Facts, Fotos, Icons, Grafiken oder Tabellen, oder aber dicke Bilderbücher ohne Lesewert - habe ich mir genau angesehen; für Gameplan kommt keines von beiden in Frage. Meine Kosten und der Preis für den Leser sind zwei wichtige Faktoren, aber eben nicht ganz so wichtig wie Inhalt und Qualität.
Gameplan-Bücher so preisgünstig für den Leser wie möglich, aber die Qualität möchte ich nicht herunterfahren, nur um einen Geiz-ist-geil-Preis draufzudrucken (und zu hoffen dass genügend Leute auf einen 13,80-Schnellschuss reinfallen).
Kultpower:
Die zweite Auflage von "Spielekonsolen und Heim-Computer" ist auch in englisch erschienen. Wie beurteilst Du die Chancen, die Dein Buch im nicht-deutschsprachigen Raum hat? Immerhin ist die Konkurrenz der Bücher über Computerspiele & Co größer als hierzulande.
Winnie:
Die US-Konkurrenz, von der Du sprichst, ist für mich auch in Deutschland vorhanden -- ich denke fast die Hälfte meiner Leser hat auch eines oder mehrere der namhaften US- oder UK-Bücher im Schrank (und GP1 damit vor oder nach dem Kauf verglichen).
GP1 und GP1.5 hatte ich von Anfang an im Vergleich zu englischsprachigen Büchern konzeptioniert und geschrieben. Das ist z.B. der Grund, wieso als erstes Gameplan-Buch nicht eine konventionelle Historie erschien, wie z.B. S. Kent oder L. Herman in den USA, sondern so ein komischer Schinken über Hardware. Ich will Bücher, die sich kaum mit bereits erschienenen überschneiden.
Einige der US- und UK-Bücher sind sehr gut (siehe GP1.5-Quellenverzeichnis), aber zwei Sachen waren mir wichtig, die in englischen Publikationen fehlen:
Die Kombination aus hartem Text und vielen, exklusiven Bildern: Ähnlich wie oben für Deutschland skizziert ist ein Buch entweder grafisch schön, aber quasi Text-los, also ein reines Anschaubuch (z.B. Liz Fabers re:play[Amazon-Link]) oder der Text ist gut & stark, dafür bekommt der Leser keines der beschriebenen Spiele zu sehen (z.B. S. Poole's Trigger Happy [Amazon-Link]). 
Kents Ultimate History [Amazon-Link] ist - gleichwohl die gegenwärtig stärkste Game-Historie im US-Buchhandel - ein Beispiel für beide Negativpunkte: Das Buch bespricht ein visuelles Medium auf 600 großzügig layouteten Seiten ohne ein einziges Farbfoto, ohne screenshots und ohne auch nur mal einen Joystick zu zeigen. Zweitens ist Kents Standpunkt US-zentrisch: Die starke UK-Industrie 1980 bis 1995 wird völlig übergangen, die Videospielgroßmacht Japan nur oberflächlich angerissen. Von Spielindustrie und -entwicklung in Frankreich oder Deutschland, Spanien oder Korea ist bei Kent nichts zu lesen. Kein "Alone in the Dark", kein Blue Byte und kein ."Micro Machines". Selbst Rare wird quasi als US-Firma beschrieben.
Kultpower:
Um das englische "Game Machines" zu vermarkten hat Gameplan Büros in London und Vancouver eröffnet. Welche Rolle spielt Heinrich Lenhardt beim Vertrieb in den USA und in Kanada?
Winnie:
Mit dem Vertrieb von Büchern hat Heini nichts zu tun, sondern ist Autor für GP3. Seine Partnerin, die Publizistin Karen Ötzel, schmeißt die kaufmännische Seite von Gameplan Vancouver und ist für Logistik, Sales & Marketing verantwortlich.
Kultpower:
War die Zusammenarbeit Heinis oder Deine Idee?
Winnie:
Ich schrieb Heini vor Jahren mal an und skizzierte ihm die geplanten Bücher. Er hatte damals Interesse, kam aber erst Anfang 2005 mit einem "Los geht's!" auf mich zu. Das hat zeitlich gut gepasst.
Kultpower:
Welche weiteren Autoren werden an deinem nächsten Werk beteiligt sein?
Winnie:
So wie es gegenwärtig aussieht, wird Heini nicht der einzige "Promi" im GP3-Autoren-Team. Von denen wenigen Profis, die imo in Deutschland in Frage kommen bzw. für so etwas Spezielles wie "GP3: Software" fundierte Texte liefern können und wollen, haben sich die meisten mittlerweile angemeldet.
Noch sind das ungelegte Eier: Vorerst & offiziell arbeiten nur Heini und ich am Software-Buch.
Kultpower:
Wir Computer-Spieler von "damals" warten schon ungeduldig: Wie weit bist du mit der Arbeit an GP3: Software?
Winnie:
Die Arbeit an GP3 begann bereits vor dem Hardware-Buch und wurde dann für GP1, GP2 und GP1.5 zurückgestellt. Das Konzept steht, 20 Kapitel sind bereits getextet, bebildert und layoutet, die dienen quasi als Blaupausen für das Groß der Kapitel, das wir im Spätsommer ins Layout verschieben. 
GP3 und GPX werden redaktionell also parallel zur US- und UK-Vermarktung von GP1.5, angeschoben. Bei GP3 sehe ich mich ganz unerwartet der Herausforderung gegenüber, ein größeres und rundum den Globus verteiltes Redaktions-Team zu koordinieren...ächz. Gegenwärtig arbeiten vier Autoren an GP3.
Kultpower:
Wie sehen die Recherchen für das nächste Buch aus? Ich könnte mir vorstellen, dass du zum einen relativ viele alte Spiele erstmal in den Händen halten musst...
Winnie:
...ich halte seit fast 25 Jahren nichts anderes in den Händen...zumindest fast nichts anderes...als "alte Spiele" :-)
Aber klar: Für GP3: Software arbeiten wir mit den "Erstauflagen" der Originalspiele, die auf Original-Hardware laufen. U.a. weil wir auch Verpackung, Cover-Art, Anleitung und Packungsinhalt betrachten, wenn wir ein Spiel fürs Buch unter die Lupe nehmen.
Die GP3-Titel werden seit den 90er-Jahren gesammelt & liegen komplett vor: Frühe Ultima-Rollenspiele mit Stoffkarten und fett ausgestattete Infocom-Originale, seltene Sega-Saturn-Sonderauflagen, C-64-Klassiker und japanische Famicom-Module in putzigen Miniverpackungen...ein Teil davon ist bereits in GP1.5 zu sehen, das neben neuen Hardware-Fotos auch mehr Bilder von Zubehör und OVP-Software enthält. Hier haben wir quasi für GP3 geübt.
Kultpower:
Wirst du jedes Spiel "durchspielen", bevor du darüber schreibst?
Winnie:
Die meisten der Spiele in GP3 wurden glücklicherweise bereits durchgespielt; der Rest wird gegenwärtig unter die Lupe genommen, gespielt und analysiert. 
Auch deshalb braucht Gameplan die Verstärkung von Profis wie Heini Lenhardt. Er schreibt bei GP3 nicht über irgendwelche Themen, die ihm ein Chefred. mal eben reindrückt, sondern über jene Spiele, über die er schreiben möchte und kann, über Spiele die er bis aufs letzte Bit erforscht, analysiert und bezwungen hat...oder es jetzt endlich mal tun möchte :-)
Kultpower:
Welche Spielekonsole (nur eine!) oder welchen Heimcomputer würdest du mit welchem Spiel (nur eins!) auf eine einsame Insel mitnehmen?
Winnie:
Wenn nur eins, dann lieber keins.
Wenn ich das Glück hätte mit Begleitung auf der Insel zu sitzen & diese Begleitung vielleicht weiblich wäre, wohl zwei Game Boys, Grundaustattung, Tetris und Link-Kabel. Kritisch wird's dann wenn nach 12 Stunden die Batterien ausgehen.
Kultpower:
Diese Frage habe ich doch glatt beim letzten Interview vor 2 1/2 Jahren vergessen: Wirst du in der Öffentlichkeit als ehemaliger, beliebter Powerplay- bzw. Videogames-Redakteur wiedererkannt und angesprochen?
Winnie:
Ab und zu von einem Sebastian. Sonst eher nicht.
Kultpower:
:-)
Winnie, herzlichen Dank für dieses Interview und weiterhin viel Erfolg mit GAMEplan!
Wir bleiben natürlich am Ball! :-)

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